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Mit Fluggerät und Räucherstäbchen

Zum ersten Mal ist in einer deutschen Höhle mit Hilfe eines Mini-Fluggeräts gefilmt worden. Das beeindruckende Ergebnis sahen 1650 Zuschauer bei Vorträgen der "Arge Blautopf" in Blaubeuren und Neu-Ulm.

Wie die sieben Zwerge auf dem Weg zur Arbeit im Bergwerk wirken die Forscher, die mit Stirn- und Handlampen ausgerüstet sind und im Gänsemarsch durch die Höhle ziehen. Szene aus dem neuen Film, den die "Arbeitsgemeinschaft Blautopf" am Samstag in Blaubeuren und am Sonntag in Neu-Ulm gezeigt hat. Die Aufnahmen verdeutlichen die Größe des Ganges "Stairway to Heaven", der größer ist als ein Autobahn-Tunnel und vom Zugangsschacht an der Bundesstraße 28 zum legendären Mörikedom im Blauhöhlensystem führt. Gefilmt wurde aus einer ganz ungewöhnlichen Perspektive: aus der Luft, per ferngesteuertem Quadro-Kopter, einem mit vier Rotoren und einer Kamera ausgerüstetem Fluggerät. Es erschien geradezu unwirklich, wenn im Film der Schatten der hochmodernen "Drohne" auf die Jahrmillionen alten Höhlenwände fiel.

Kameramann war Oliver Schöll, witzig kommentiert hat die Aufnahmen Werner Gieswein. Der verriet, dass der Energievorrat für den Scheinwerfer des Quadro-Kopters immer nur für zwei Minuten reicht. Und dass über dem Höhlensee des Mörikedoms nicht gefilmt wurde. "Denn wenn er dort abstürzt, fällt er ins Wasser und ist hin."

Der Mörikedom konnte bis zur Bohrung eines künstlichen Zugangs im Jahr 2010 nur über eine 1250 Meter lange Tauchstrecke vom Blautopf aus erreicht werden. Daran erinnerten Projektleiter Jochen Malmann und Stellvertreter Andreas Kücha mit neuen Unterwasseraufnahmen: Abtauchen entlang der Steilwände des Blautopfs, der auch beim Blick von unten in schönstem Blau schimmert und in dem sich die Turmspitze des Klosters spiegelt. Tauchen durch die erste Engstelle, die Düse, und dann weiter entlang von Wänden, die durch einen natürlichen Mangan-Überzug schwarz geworden sind, bis zu einer Tiefe von 45 Metern.

Die Tauchfahrten mit einer bis zu 250 Kilogramm schweren Ausrüstung sind nur etwas für spezialisierte und sehr erfahrene Höhlentaucher. Der trockene Zugang brachte die Forschung einen "riesigen Sprung nach vorn", sagte Jochen Malmann bei den von der SÜDWEST PRESSE organisierten Vorträgen zugunsten der Aktion 100 000 und Ulmer helft in der Blaubeurer Stadthalle und im Neu-Ulmer Edwin-Scharff-Haus. Denn so könnten nun mehr Experten in der Blauhöhle forschen und diese vermessen. Malmann gab die aktuelle, vor Beginn der Fledermaus-Schutzzeit im Herbst ermittelte Länge des aus Blau- und Vetterhöhle bestehenden Blauhöhlensystems mit 11 010 Metern an. Damit ist das Blaubeurer Höhlensystem das drittlängste in Deutschland. Das schönste sei es ohnehin, sagte Andreas Kücha und zeigte atemberaubende Fotos von schneeweißen Tropfsteinen, filigranen Kristallen und Fossilien aus Seeigeln und Muscheln.

Die Blauhöhle ist neben dem Herbstlabyrinth in Hessen weltweit die zweite Höhle, in der "Poolfingers" in ihrer ursprünglichen Form entdeckt wurden. Das sind Schleimfäden aus lebenden Bakterien, für die sich sogar die NASA interessiert im Blick auf die Mars-Forschungen. Kücha: "Das Thema ist ganz frisch, ich bin gespannt, was man in zehn Jahren dazu sagt."

Nicht mehr ganz frisch ist der Versuch der Arge Blautopf, den "Versturz 3" zu knacken. 2,8 Kilometer vom Zugang entfernt blockieren herabgestürzte Steinblöcke den weiteren Weg nach hinten. Die Forscher zeigten die abenteuerlichen Versuche, dort über und unter Wasser eine Fortsetzung zu finden. Sportliche Männer ohne Bauch zwängten sich durch Engstellen, durch die zunächst nur der Kopf zu passen schien. Sie kamen durch, scheitern aber dann an der nächsten, noch engeren Spalte. "Man muss bescheuert sein, wenn man da auch noch taucht, mit einer Flasche vorweg", kommentierte Werner Gieswein eine Unterwasser-Szene. Mit Räucherstäbchen gelang es, über Wasser einen Luftzug festzustellen. Ansatz für die Forschungen 2014.

Die 21 Arge-Mitglieder wollen weiter tauchen, klettern, schwimmen, mit der Bohrmaschine arbeiten - und angesichts der Anstrengungen und der weiten Wege auch gelegentlich in der Höhle übernachten. Gieswein gab Einblicke ins Biwak-Leben, wo wie im U-Boot gelte, dass bei schlechtem Essen die Stimmung kippt. Mit einem Grinsen spielte er eine akustische Störung in der sonst so stillen Höhle ein: das laute Schnarchen eines Kollegen.
Quelle: Südwestpresse