Im
historischen Stollen wird ein geologischer Traum war
Kurt
Kroepelin darf 20 Meter tiefen Tunnel begehen
Ederheim „Das war
noch schöner, als durch einen Steinbruch zu gehen“, sagt Kurt
Kroepelin strahlend, als er den Helm vom Kopf zieht und sich durch
das schweißnasse Haar fährt. Ein Kompliment, wie es nur ein Geologe
machen kann. Kroepelin ist aufgeregt, die Nervosität steht ihm
deutlich ins Gesicht geschrieben. Schon den ganzen Tag lang sei er
nervös, gibt er einfach zu. „Schließlich warte ich schon seit 40
Jahren auf diesen Moment.“ Nun erfüllten ihm die Rieser Nachrichten
seinen Traum: Einmal den ansonsten gesperrten Tunnel der Nördlinger
Wasserversorgung zwischen Ederheim und Nördlingen zu begehen. Oder
zumindest einen Teil.
Keine Leichtigkeit,
denn der Stollen ist für die Allgemeinheit nicht zugänglich. Doch
dank der Zusammenarbeit mit den Stadtwerken und der Feuerwehr
Nördlingen – schließlich musste Kroepelin nahe des
Endres-Steinbruchs am Kampf sieben Meter in die Tiefe abgeseilt
werden – kann der Traum der etwas anderen Art beginnen.
Viele Eisensprossen
führen Kroepelin den schmalen Schacht nach unten. Ein Sicherungsseil
baumelt vor seinem Gesicht. Unten angekommen wird es dunkel. Nur der
Schein der Taschenlampe wirft einen kleinen Lichtschimmer voraus in
die dünne Röhre. Ein Ende der Schwärze ist nicht in Sicht. Dann geht
es los.
Fast sein ganzes
Leben hat Kroepelin auf diesen Moment gewartet. In Ederheim
aufgewachsen, war er schon immer fasziniert von bunten Steinen.
Säckeweise hat er sie als Kind aus dem Steinbruch neben der
Thalmühle geholt. „In dieser Zeit war der Stollen noch unversperrt,
und meine Mutter ging ab und zu durch. Sie hat mir immer wieder
davon erzählt“, berichtet der Geologe vom Beginn seiner Faszination
für den Wasserversorgungstunnel. Und es war eine Mutprobe für die
älteren Kinder, bei völliger Dunkelheit hindurchzulaufen.
Er habe aber leider
nie die Möglichkeit gehabt, das Gestein dort unten in Augenschein zu
nehmen. „Das hat ihn immer gebitzelt“, sagt seine Frau Ulrike
Prüschenk mit einem Augenzwinkern.
Doch am diesem
Donnerstagnachmittag darf auch er seinen Mut beweisen und durch die
dunkle Röhre laufen. Ein dickes gusseisernes Rohr zwischen den Füßen
verhindert, dass man viel Platz zum Auftreten hat. Kroepelin scheint
das Hindernis allerdings kaum zu bemerken und stapft energisch
voraus.
Dabei erfüllt die
Leitung schon seit 115 Jahren ihren Zweck: Nördlingen wird dadurch
mit dem Wasser der Ederheimer Quellen versorgt. Bis heute fließt das
Quellwasser den teilweise 20 Meter tiefen Tunnel hinab – völlig ohne
Pumpen. „Aus Ingenieurssicht war das eine Meisterleistung,
schließlich hatte man hier ja überhaupt keine Erfahrung mit dem
Arbeiten in Stollen“, erzählt Kroepelin, als er sich leicht gebückt
an der steinigen Wand entlang hangelt. Überhaupt redet Kroepelin
relativ viel. Keine Frage, ein Umstand, der seiner Nervosität
geschuldet ist.
Die ersten 80 Meter
seines Weges umgeben ihn blanker Stein. Bei jedem kurzen Halt findet
der Geologe Kalk, Stalaktiten, Ton, Lehm oder Suevit. Es folgt
jeweils eine kurze Erklärung, was an dieser Entdeckung so
beeindruckend ist. Dann geht es auch schon weiter.
380 Meter ist der
Stollen in etwa lang. Das klingt nach nicht viel, doch nach 80 Meter
wartet bereits eine Überraschung: Der Tunnel wird mit einer Mauer
aus Ziegelsteinen abgestützt. Das macht ihn zwar sicherer, aber auch
deutlich enger. Nur noch 120 cm bleiben übrig, bis der Helm an die
Steindecke stößt. Auch das scheint Kroepelin nicht im Mindesten zu
stören. Fast im 90-Gradwinkel gebückt, geht er fröhlich weiter. Auch
die matschige Brühe, die streckenweise am Boden entlang fließt und
ihn mehr als einmal ausrutschen lässt, wird schlichtweg nicht
beachtet. Sturzgefahr? Wen interessiert das schon, wenn man einen
Tunnel erkundschaften kann.
Alle zehn Meter
befindet sich, zur großen Freude von Kroepelin ein Loch in der
Ziegelwand. Jedes wird genau ausgeleuchtet und mit einem „oh, das
ist aber interessant“ oder einem „faszinierend“ kommentiert. Auch
von Menschenhand in die Steinwände eingefügte Glasblättchen, die vor
Einsturzgefahr rechtzeitig warnen sollen, finden sein Interesse.
Nach etwa einer
Stunde neigt sich der Traum seinem Ende. Die 380 Meter sind sowohl
in beiden Richtungen erkundet, und es geht erneut die feuchte
Eisenleiter hinauf. Hinauf in Richtung Sonnenlicht, das fast
blendet, auch wenn es bereits früh am Abend ist. Kroepelin,
eigentlich ein ruhiger Mensch, kann seine Begeisterung kaum
zurückhalten. Umgehend diskutiert er die gewonnenen Erkenntnisse mit
seiner Frau, mit Karl-Heinz Bschorer, Chef der Stadtwerke Nördlingen
und Frank Schmidtkunz, Wassermeister der Stadtwerke.
Immer wieder bedankt
er sich bei den Leuten der Stadtwerke, der Feuerwehr und den Rieser
Nachrichten dafür, dass man ihm seinen Traum erfüllt hat. So ist es
nicht verwunderlich, dass am nächsten Morgen eine E-Mail vom
Geologen in der Redaktion eintrifft: „Es war wirklich traumhaft,
sich 20 Meter unter der Erde auf den Spuren der Vergangenheit zu
bewegen. Ein wirklich spezielles und exklusives Erlebnis. Nochmals
vielen Dank.“ Gern geschehen.
Quelle: Rieser
Nachrichten
nach oben |